Netzwerk "Frauen in der Geschichte der Gartenkultur"
Sechste Tagung des Netzwerkes 2005 in Gießen Thema: "KunstGartenKunst"
Die sechste Tagung richtete am 16. und 17. September Prof.
Dr. Ellen Spickernagel am Institut für Kunstpädagogik der
Justus-Liebig-Universität Gießen, Karl-Glöckner-Str.21/H, aus.
Die Vorträge
Die Vorträge des ersten Tages befassten sich sowohl mit Gartengestalterinnen
des Zwanzigsten Jahrhunderts als auch mit dem Thema 'Gärten' als Werk
zeitgenössischer Künstlerinnen:
· Prof. Dr. Ellen Spickernagel, Institut für Kunstpädagogik,
Gießen: Einführung
· Beate Ahr, Landschafts- und Freiraumplanerin, Kronshagen bei
Kiel: Baukunst in der Landschaft. Die Architektin Lucy Hillebrand (1906-1997)
· Karin von Behr, Kunsthistorikerin und Journalistin, Hamburg:
Niki
der Saint Phalle (1930-2002, Nanas und Grotte in Hannover; Tita Giese (*1942)
Palmen, Pilze, Perlgras in Düsseldorf und Hamburg; Jenny Holzer (*1950):
Black Garden in Nordhorn
· Prof. Barbara Nemitz, Künstlerin, Weimar: Der Garten
ist der Ort der Handlung.
· Dr. Gerlinde Volland, Kunsthistorikerin, Bielefeld: Der
Garten der Baronin Saint-Léger auf der Isola die Brissago / Lago
Maggiore
[Karin von Behr und Dr. Gerlinde Volland hatten sich freundlicherweise
kurzfristig bereit erklärt, anstelle zweier verhinderter Referentinnen
zu sprechen. Die zunächst vorgesehenen Beiträge waren: ·
Dr. Brigitte Franzen, Münster: Topische Muster – Garten und Stadt
im Werk von Martha Rosler und Jenny Holzer / · Gabriele Uerscheln,
Düsseldorf: Von "karierten Beeten", grünen Pastiken, schrägen
Linien, Eisenbahnschwellen und Waschbeton: Die holländische
Gartenkünstlerin Mien Ruys (1903-1997)]
Die Exkursionen
Am zweiten Tag führten Exkursionen in die Nachbarstadt Biebertal und
auf den Alten Friedhof in Gießen:
· Martina Langhans, Landschafts- und Freiraumplanerin, Biebertal:
Ein Rundgang durch den Englischen Landschaftspark der Villa Gail in Biebertal
· Dagmar Klein, Gießen: Der Alte Friedhof in Gießen
– Kulturdenkmal und Grünanlage
Pressebericht: Gärten – Bühne und Bild von Dagmar Klein
veröffentlicht in UNI-FORUM Nr. 4, 13. Oktober
2005, Justus-Liebig-Universität Gießen.
„KunstGartenKunst": Tagung des Netzwerks „Frauen in der Geschichte
der Gartenkultur" am Institut für Kunstpädagogik der Justus-Liebig-Univerität
Gießen – Führungen durch den Gailschen Park und den Alten Friedhof
Gärten und Parks sind Orte vielfältiger Überschneidungen.
Sie bilden Ensembles aus Vegetation, Wasser, Architektur und Skulptur,
sie fungieren als Bühne und Bild zugleich, sind beschauter und begehbarer
Raum. Vor allem der französische Barock und der englische Landschaftsgarten
sind bekannt, doch verbinden sich mit ihnen in der Regel nur die Namen
ihrer männlichen Gestalter. Dass adlige Frauen im 17./18. Jahrhundert
zu den großen Förderinnen von Parks und Gartenanlagen gehörten,
ist kaum bekannt. Dass Frauen im 19./20. Jahrhundert aktiv an der Gestaltung
und Planung beteiligt waren, ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Allenfalls
von berühmten englischen Gärtnerinnen wie der Schriftstellerin
Vita Sackville-West wissen wir dank des Engagements des National Heritage,
der traditionsreichen Denkmalschutzinitiative in Großbritannien.
Den vergessenen Beitrag der „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur"
sichtbar zu machen, ist das Anliegen der Kunsthistorikerin Dr. Gerlinde
Volland. Sie hatte die Idee zur Gründung einer Arbeitsgruppe. Auf
ihren zweiten Aufruf folgte 1999 ein erstes Arbeitstreffen an der Universität
Bielefeld. Von anfangs fünf Interessentinnen ist der lockere Zusammenschluss
mittlerweile auf über 50 Personen angewachsen. Nach Tagungen in Hannover,
Kassel, Göttingen und Bad Nauheim fand am 16. und 17. September die
sechste überregionale Tagung des Netzwerks an der Justus-Liebig-Universität
statt unter dem Titel: „KunstGartenKunst". Organisatorin und Gastgeberin
war die Professorin für Kunstgeschichte Dr. Ellen Spickernagel (Institut
für Kunstpädagogik). Ihr Anliegen war es, den Einfluss der zeitgenössischen
Kunst auf Gartenprojekte zu beleuchten und die unterschiedlichen Berufsgruppen
weiter zu vernetzen. Die 36 Teilnehmerinnen kamen aus den Bereichen Kunstgeschichte
und Kulturwissenschaft, Landschafts- und Freiraumplanung, Garten- und Landschaftsarchitektur.
Auch bei den Referentinnen spiegelten sich die verschiedenen Berufsgruppen.
Zuerst sprach die Kulturjournalistin Karin von Behr (Hamburg) zu den Künstlergärten
von Niki de Saint Phalle, Tita Giese und Jenny Holzer. Die Landschafts-
und Freiraumplanerin Beate Ahr (Kronshagen bei Kiel) berichtete über
die „Baukunst in der Landschaft" der Göttinger Architektin Lucy Hillebrand.
Prof. Barbara Nemitz (Weimar, Bauhaus-Universität) befasst sich als
Künstlerin mit Land-Art und Naturkunst-Konzepten; ihr Vortrag war
dem „Garten als Ort der Handlung" gewidmet. Die Kunsthistorikerin Dr. Gerlinde
Volland (Bielefeld) berichtete über den „Garten der Baronin Saint-Leger
auf der Isola di Brissage im Lago Maggiore".
Es hat sich mittlerweile eingespielt, dass am zweiten Tag Exkursionen
auf dem Programm stehen. Diesmal besichtigten die Wissenschaftlerinnen
den Gailschen Park in Biebertal-Rodheim, ein Kleinod der Gartenkunst, das
erst seit dem vergangenen Jahr für die Öffentlichkeit an Wochenenden
zugänglich ist. Die sachkundige Führung übernahm die Gartenplanerin
Dipl. Ing. Martina Langhans vom Freundeskreis Gailscher Park. Sie erläuterte
die komplexe Entstehungsgeschichte des Ensembles, das als Privatpark mit
Villa auf dem Land entstand und jahrzehntelang durch eine hohe Mauer den
Blicken der Dorfbevölkerung entzogen war.
Die Grünanlage wurde um 1890 im Stil eines englischen Landschaftsgartens
gestaltet. Auftraggeber war Wilhelm Gail, Gießener Zigarrenfabrikant
und Besitzer der gleichnamigen Ton- und Keramikwerke. Vieles ist noch im
Original erhalten, anderes wird nach und nach zurückgebaut, etwa die
Asphaltierung der Wege.
Am Nachmittag wurde der Alte Friedhof in Gießen besichtigt, der
ein Kulturdenkmal der besonderen Art ist, wie Kunsthistorikerin und Stadtführerin
Dagmar Klein MA erläuterte. Um 1530 weit außerhalb der Stadtbefestigung
angelegt, ist der Alte Friedhof über die Jahrhunderte mehrfach erweitert,
aber nie verlegt oder überbaut worden. Daher befinden sich noch zahlreiche
kunsthistorisch wertvolle und stadtgeschichtlich interessante Grabsteine
dort. Sie geben Zeugnis von der Geschichte Gießens als Garnisons-,
Handwerker- und Universitätsstadt, und besonders markant von seinem
wichtigsten Industriezweig, der Zigarrenfabrikation. Ende des 19. Jahrhunderts
begannen die Planungen für die Anlage eines neuen Friedhofs und für
die Umgestaltung des Alten Friedhofs zu einem öffentlichen Park. In
dieser Phase erfolgte eine Baumstiftung durch Kommerzienrat Wilhelm Gail.
Diese Bäume wurden rund um die Kapelle angepflanzt, bei den anderen
handelt es sich mehrheitlich um Anpflanzungen auf Gräbern, die sich
ungehindert vergrößert und ausgesät haben.
Gesurft und geschmökert - Anmerkungen einer Tagungsteilnehmerin
Landschaftsarchitektin Martina Langhans führt durch den Landschaftspark
in Biebertal, den sich der Zigarren- und Keramikfabrikant Wilhelm Gail
und seine Ehefrau Minna Gail Ende des 19. Jahrhunderts anlegen ließen.
Eine historische Abbildung des Gail'schen Parks mit dem Schweizerhaus
in der Mitte
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Im Gail'schen Park: Vor dem Schweizerhaus
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Im Gail'schen Park: Das Spielhaus der Kinder
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Dagmar Klein führt über den Alten Friedhof in Gießen.
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Grabmal mit Todesgenius, der in einer Hand die gesenkte Fackel,
Symbol für das erlöschende Leben, und einen Bund Mohnkapseln,
Sinnbild für den Tod als Zustand tiefen Schlafes, hält. Über
dem Kopf der Figur fliegt ein Falter, Symbol für die unsterbliche
Seele. |
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