Netzwerk "Frauen in der Geschichte der Gartenkultur"
9. Tagung des Netzwerkes 2008 in Dresden Thema: Zum Anteil von Frauen an der Gartenkultur: vermutet, behauptet, belegbar? Kritische Betrachtung der Quellenlage
Kurzfassung der Vorträge
Heike Palm "Archivalische Spuren des Wirkens der Kurfürstin Sophie von Hannover im Großen Garten in Hannover-Herrenhausen"
„Der Herrenhäuser Garten hat Sophie seit dem Tage ihres Einzuges
als regierende Herzogin bis zu ihrem Tode unablässig beschäftigt.
Sie läßt sich feste Summen für die Verschönerung des
Gartens aussetzen, und es ist nicht zuviel gesagt, wenn man alles, was
von 1680 bis 1714 dort geschaffen worden ist, als ihr Werk bezeichnet.“
Diese Aussage, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig
lässt, hat nicht nur Eingang in die Regionalgeschichtsschreibung und
in die Gartenführer gefunden, sondern auch in die von Fachleuten verfassten
Standardwerke zur Gartenkunstgeschichte Deutschlands und Europas. Eine
kritische Durchsicht der Publikationen offenbart, dass die Beteiligung
der Herzogin an der Gestaltung des Großen Gartens um so eindeutiger
formuliert wird, je weniger Arbeit die Autoren in die Auswertung von Archivalien
investiert haben. Tatsächlich sind bisher keine Belege für Sophies
Einfluss auf Entwurf und Konzept des Gartens publiziert worden. Da Petra
Widmer in diesem Arbeitskreis bereits 1999 dargestellt hat, dass der veröffentlichte
Anteil von Sophies Korrespondenz keine Hinweise auf deren Beteiligung am
Entwurf des Gartens enthält, konzentriert sich mein Vortrag auf die
Auswertung von Verwaltungsakten. Darin finden sich nur wenige Schriftstücke,
die Rückschlüsse auf das Wirken der Herzogin erlauben. Anhand
dieser Quellen lässt sich belegen, dass sie tatsächlich für
wenige Jahre die Ausgaben für den Garten kontrollierte. Eine seriöse,
quellenkritische Interpretation der Indizien führt allerdings zu dem
Ergebnis, dass ihre Gestaltungsmöglichkeiten in dieser Zeit eher eingeschränkt
waren.
Heike Palm, Historikerin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gottfried
Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover
Literaturhinweise::
Udo von Alvensleben; Ernst Reuther: Herrenhausen. Die Sommerresidenz
der Welfen, Hannover 1966, S. 14.
Petra Widmer: Die Gartenkunst im Leben der Kurfürstin Sophie von
Hannover (1630-1714), in: Die Gartenkunst 12 (2000), Heft 2, 167-178.
Stefanie Melzer "Hatte er nicht wenigstens eine Gärtnerin bei
sich? Frauen in staatlichen sächsischen Gärten um 1900"
In der Gartenkunstgeschichte lesen wir selten etwas über diejenigen,
die Gartenentwürfe in die Praxis umsetzten und noch seltener über
die, die diese Kunstwerke über Jahre und Jahrzehnte pflegten und ihnen
immer wieder zu neuem Glanz verhalfen. Der Vortrag untersucht am Beispiel
der staatlichen sächsischen Gärten um 1900, welche Rolle dabei
den Frauen im Garten zukam. Bei den Recherchen zum Thema wurde schnell
klar: Je tiefer man sich in der Gärtnerhierarchie herab begibt, desto
spärlicher werden die Informationen. Dennoch gibt es einige wenige
Quellen zum Leben und Wirken der Gartenfrauen. Der Vortrag wird aufzeigen,
welche Schwierigkeiten bei einem Rekonstruktionsversuch auftreten und welche
Aussagen sich tatsächlich über die Leistungen der Gartenfrauen
gewinnen lassen.
Dipl.-Ing. Stefanie Melzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl
für Geschichte der Landschaftsarchitektur und Gartendenkmalpflege
der TU Dresden
Frank Schalaster "Zum Büroalltag der Landschaftsarchitekten Gustav und Rose Wörner: Was verraten die Akten und die Pläne?"
Am 1. April 1962 legt die 35-jährige Landschaftsarchitektin Rose
Metze durch die Übernahme eines kleinen Wuppertaler Planungsbetriebs
den Grundstein für eine bemerkenswerte Bürokarriere. Nach erfolgreichem
Start in die Selbständigkeit steigt ein Jahr später ihr angehender
Ehemann Gustav Wörner in das Büro ein. Gemeinsam erschließen
sie sich neben der Bearbeitung objekt- und landschaftsplanerischer Fragestellungen
seit den 1970er Jahren zunehmend das Aufgabenfeld der Gartendenkmalpflege.
Nach rund dreieinhalb Jahrzehnten andauernder Bürotätigkeit verkünden
die Landschaftsarchitekten im Jahre 1996 offiziell, sich aus dem aktiven
Bürogeschehen zurückziehen zu wollen. Organisatorisch betrachtet
ist dieses Bestreben jedoch allenfalls mittelfristig zu verwirklichen und
wird überdies von dem unerwarteten Tod Gustav Wörners überschattet.
Mit diesem Einschnitt wird Rose Wörner die alleinige unternehmerische
Verantwortung zuteil, nicht zuletzt für die sieben umfangreichen Gartendenkmalprojekte,
die es im Todesjahr ihres Mannes abzuschließen und der Öffentlichkeit
zu übergeben gilt. Die umfassenden Akten-, Bild- und Plandokumente
des Wörnerschen Planungsbetriebs sind neben den darin ablesbaren Geschehnissen
des Büroalltags in erster Linie Zeugnisse ihrer Urheber. Doch was
ist unter dem Begriff ‚Büroalltag' zu verstehen, und inwieweit zeichnet
sich hierin der jeweils persönliche Anteil der eng miteinander verbundenen
Ehe- und Geschäftspartner ab? Welche Indikatoren können hierfür
herangezogen werden? Ist es möglich, mithilfe des Büronachlasses
Auskunft über die Stellung Rose Wörners im Bürobetrieb zu
erhalten, gar die Frage nach Gleichberechtigung am Arbeitsplatz zu beantworten?
Inwieweit lassen sich Privat- und Berufsleben der Büroinhaber in dieser
engen Gemeinschaft überhaupt unterscheiden? Entspricht die interne
Organisationsstruktur der Außenwahrnehmung des Landschaftsarchitekturbüros
Wörner? Welche Folgerungen sind hieraus im Hinblick auf jene Risiken
zu ziehen, die eine interpretative Auswertung von Untersuchungsergebnissen
im Rahmen der Nachlassforschung bergen?Durch die Situation der Bürobetrachtung
zu Lebzeiten der ehemaligen Mitinhaberin ergibt sich die Gelegenheit einer
persönlichen Reflexion der Erkenntnisse durch Rose Wörner. Hieraus
erhebt sich der Anspruch, anhand der Nachlassforschung als gewähltem
Untersuchungsansatz mögliche Hinweise auf den Grad an Vermutung, Behauptung
und Belegbarkeit hinsichtlich des Anteils von Frauen an der Gartenkultur
zu geben.
Dipl.-Ing. Frank Schalaster, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut
für Landschaftsarchitektur der Leibniz Universität Hannover
Astrid Roscher "Lucie von Pückler-Muskau - heimliche Hauptakteurin im Schatten des grünen Fürsten?"
Das gartenkünstlerische Werk des schillernden Fürsten Hermann
von Pückler-Muskau ist beeindruckend und über Europa hinaus berühmt.
Weitaus weniger bekannt scheint hingegen die Rolle der Fürstin, die,
oft eher als duldende Geldgeberin belächelt, einen nicht unerheblichen
Anteil am Erfolg ihres exzentrischen Gatten hatte.
Ein erster Versuch, ihre gartenkünstlerische Entwicklung nachzuzeichnen,
ist auf der Grundlage des in weiten Teilen erhaltenen, umfassenden Briefwechsels
mit Pückler möglich. Kaum verlobt, diente die genauso der Parkomanie
verfallene Lucie dem jungen Grafen zunächst als unerlässliche
Geldgeberin und Ansporn, in Muskau einen würdigen Wohnsitz zu schaffen.
Doch diese erste, passive Rolle wandelte sich schnell. Als Kommissionärin
besorgte Lucie in Pücklers Auftrag Gartenmobiliar, und begann schließlich,
kaum in Muskau angekommen, die Arbeiten eigenhändig zu beeinflussen.
Das Paar lieferte sich leidenschaftliche gärtnerische Streitgespräche
- und unversehens war es die „Schnucke“, die den „Regierlöffel“ schwang
und sich oft sogar gegen den Willen ihres „erlauchten Lou“ durchsetzte.
Pückler zog sich schließlich immer öfter auf Reisen zurück
und beschränkte sich auf briefliche Anweisungen, die Lucie nach eigenem
Ermessen sorgfältig filterte.
Welche Parkbereiche aber tatsächlich auf die Ideen der Fürstin
zurückzuführen sind, lässt sich heute nur bruchstückhaft
nachweisen. So eröffnet sich ein spannendes Forschungsfeld, das noch
zeigen wird, wo Lucie tatsächlich „Hauptakteurin“ war.
Dipl.-Ing. Astrid Roscher, Mitarbeiterin im Bereich Gartendenkmalpflege
bei der Stiftung „Fürst-Pückler-Park Bad Muskau“
Kathrin Franz "Christina von Brühl und „ihr“ Seifersdorfer Tal: zur Beweislage"
Das Seifersdorfer Tal gehört zu den Anlagen, die auch heute noch
anschaulich das „Zeitalter der Empfindsamkeit“ vermitteln. Es liegt etwa
einen Kilometer von Ort und Schloss Seifersdorf entfernt im pittoresken
Tal der „Großen Röder“. Im Jahr 1781 ließ die Gräfin
Christina (Tina) von Brühl (1756-1816) ihrem Mann, Hans Moritz (1746-1811),
zum Geburtstag einen Tempel errichten. Dieser ersten Gartenszene folgten
in den nächsten Jahren etwa vierzig weitere. Als Hauptinitiatorin
der Ausgestaltung des Tals kann zweifelsohne die Gräfin Tina bezeichnet
werden, wenngleich ihr Mann bei den praktischen Arbeiten teilweise sogar
selbst mit Hand anlegte. Besonders erwähnenswert sind die zahlreichen
literarischen Bezüge. Befreundeten Persönlichkeiten des Weimarer
Kulturkreises wurden Denkmale und Inschriften gewidmet, so Johann Wolfgang
von Goethe, Christoph Martin Wieland, Johann Gottlieb Herder und der Herzogin
Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach. Auf einem Felsen etwa in der Mitte
der Anlage stand die „Hermannseiche“, die an den Helden der Schlacht im
Teutoburger Wald, Arminius dem Cherusker, erinnern soll.
Bei der Gestaltung der Anlage wurde die malerische Landschaft kaum
verändert und nur durch wenige Pflanzungen ergänzt.
Nach dem Tod der Schöpfer führte der Sohn, Karl von Brühl
(1772-1837), die Gestaltung der Anlagen fort, bis sie ab der Mitte der
19. Jahrhunderts allmählich in Vergessenheit gerieten. Über die
Hälfte der Gartenszenen des Seifersdorfer Tales sind heute noch vorhanden.
Die Anlage konnte 1997 vom Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V.
erworben werden und wird seit vielen Jahren vom Förderverein Seifersdorfer
Thal e.V. gepflegt und saniert.
Dipl.-Ing. Kathrin Franz, freischaffende Landschaftsarchitektin und
Gartenhistorikerin in Leipzig
Die Vorträge von Stefanie Melzer, Frank Schalaster und Astrid Roscher sind in "Die Gartenkunst" H. 2/ 2009 veröffentlicht.
Foto-Impressionen Seifersdorfer Tal
Kathrin Franz mit Teilnehmerinnen im Seifersdorfer Tal ( Infos:
www.tinathal.de)
Gruppenfoto im Seifersdorfer Tal
Picknick im Seifersdofer Tal
Dresden -Elbhänge
Fotos Pillnitz
Ausführliches Programm:
Freitag, 19. September 2008 - Vorträge im Hörsaalzentrum der
Technischen Universität Dresden, Bergstraße 64, Raum 405
11:00 – 12:00 Uhr: Ankommen und Anmeldung / Büchertisch
mit Fachliteratur
12:15 Uhr: Begrüßung Erika Schmidt, Professur für Geschichte
der Landschaftsarchitektur, TU Dresden
12:30 Uhr: Archivalische Spuren des Wirkens der Kurfürstin Sophie
von Hannover (und anderer Frauen) im Großen Garten Hannover-Herrenhausen
Heike Palm, in der Gartengeschichte tätige, freischaffende Historikerin
13:30 Uhr: „Hatte er nicht wenigstens eine Gärtnerin bei sich?“
Auf den Spuren der Gartenfrauen im Dresdner Großen Garten.
Stefanie Melzer, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für
Geschichte der
Landschaftsarchitektur, TU Dresden
14:30 Uhr: Zum Büroalltag der Landschaftsarchitekten Gustav und
Rose Wörner: Was verraten die Akten und Pläne?
Frank Schalaster, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet Geschichte
der Freiraumplanung der Leibniz Universität Hannover
15:30 Uhr: Kaffeepause / Büchertisch
16:00 Uhr: Lucie von Pückler-Muskau – heimliche Hauptakteurin
im Schatten des grünen Fürsten?
Astrid Roscher, Mitarbeiterin Gartendenkmalpflege in der Stiftung „Fürst-Pückler-Park
Bad Muskau“
17:00 Uhr: Christina von Brühl und „ihr“ Seifersdorfer Tal: zur
Beweislage
Kathrin Franz, freischaffende Landschaftsarchitektin und Gartenhistorikerin
18:00 Uhr: Diskussion / Aktuelle Informationen zum Netzwerk und organisatorische
Hinweise
Roswitha Kirsch-Stracke / Gerlinde Volland / Erika Schmidt
ab 19:00 Uhr: Abendessen im Restaurant Chiaveri, Sächsischer Landtag
mit Blick auf das Elbpanorama (Selbstzahler)
Sonnabend, 20. September 2008 - Exkursionen ab Hauptbahnhof Dresden
Treffpunkt: Hauptbahnhof Dresden, Bushaltestelle Bayrische Straße
Abfahrt 9:00 Uhr: Exkursion mit dem Bus ins Seifersdorfer Tal mit Mittagspicknick
Führung durch Kathin Franz - Rückfahrt von Langebrück/Schönborn
nach Dresden
gegen 14:30 Uhr Zwischenhalt Bahnhof Dresden-Neustadt
Halt am Standort der geplanten Waldschlösschenbrücke / Spaziergang
entlang der Dresdner Elbhänge mit den drei Elbschlössern
16:00 Uhr Führung im Schlosspark Pillnitz - Führungen in
thematischen Gruppen
Kirsten Plathof: Überblick über die Gesamtanlage
Stefanie Melzer: Botanik in Pillnitz und aktuelle denkmalpflegerische
Vorhaben
17:45 Uhr: Rückfahrt nach Dresden
Veranstaltende: Netzwerk „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur“
stellvertretend organisiert von der Professur für Geschichte der
Landschaftsarchitektur der TU Dresden mit freundlicher Unterstützung
des Vereins Seifersdorfer Thal e.V. und des Freundeskreises des Instituts für Landschaftsarchitektur der TU
Dresden
Pressebericht über die Tagung
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